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ODIS in Buenos Aires: Die International Open Data Conference 2018

Erfahrungen von IODC18

Projektart
Publikation
Datum
16.10.2018

In der Woche vom 24. bis 28. September trafen sich Open Data-Experten aus aller Welt in Buenos Aires, Argentinien zur 5. International Open Data Conference. Die Konferenz selbst, die das erste Mal auf der Südhalbkugel ausgerichtet wurde, fand am 27. und 28. September statt, in den Tagen vorher gab es aber zahlreiche Satelliten-Veranstaltungen (zum Beispiel den Open Cities Summit und das Open Data Research Symposium).

Ich hatte die Möglichkeit, an dieser Konferenz teilzunehmen und einen Einblick in die globale Diskussion zum Stand von Open Data zu erhalten. Basierend auf den besuchten Sessions und zahlreichen Gesprächen fasse ich hier die wichtigsten Erkenntnisse aus einer Woche Buenos Aires zusammen.

1) Eine erfolgreiche Open Data-Strategie endet nicht mit der Veröffentlichung von Daten – sie beginnt damit.

Viele IODC-Teilnehmer*innen räumten ein, dass die Entstehung der Open Data-Bewegung von einer gewissen Naivität geprägt war: Man ging davon aus, dass die bloße Veröffentlichung von Verwaltungsdaten quasi automatisch zu höherer Transparenz führen, das Vertrauen in den Staat stärken und offene Innovationen fördern würde. Inzwischen hat sich der Fokus aber von der reinen Veröffentlichung hin zu tatsächlichen Nutzung verschoben.

Nur weil eine Verwaltung Daten online zugänglich macht, bedeutet das eben noch nicht, dass sich das Leben der Bürger*innen schlagartig verbessert. Es kommt vielmehr darauf an, welche Daten offen sind und wie diese Daten benutzt werden oder benutzt werden können. Um solche Überlegungen dreht sich die „open by default“ vs. „publishing with purpose“-Debatte: Sollen Verwaltungen ihre Datenbestände grundsätzlich erstmal offenlegen? Und ist das überhaupt realistisch? Oder ist es besser, zu priorisieren und sich zunächst auf ausgewählte, qualitativ hochwertige Datensätze zu konzentrieren? Die IODC-Community schien zumindest was die nahe Zukunft betrifft eher zu letzterer Position zu tendieren. Aber die Debatte ist noch lange nicht abgeschlossen.

2) Wenn Datenveröffentlichung einen echten Impact haben soll, müssen wir Nutzer besser verstehen und einbeziehen.

Nutzerzentriertes Design ist zu einer gängigen Praxis bei der Entwicklung digitaler Tools und Prozesse geworden. Dabei geht es darum die tatsächlichen Bedarfe und Wünsche von Nutzer*innen zu verstehen, statt davon auszugehen, dass man es ohnehin besser weiß – und dann vielleicht ein völlig unpassendes Endergebnis entwickelt.

Das selbe Prinzip kann und sollte auf Open Data-Strategien angewandt werden. Verwaltungen können im Vorfeld nicht wissen, wer ihre Daten zu welchen Zwecken nutzen wird. Wer sicherstellen möchte, dass Daten eine produktive Weiterverwendung finden, sollte deshalb unbedingt so früh wie möglich mit verschiedenen (tatsächlichen oder potentiellen) Nutzergruppen in Kontakt treten und fragen, welche Daten benötigt werden und in welcher Form (z.B. in welchem Format) sie veröffentlicht werden sollten.

Das ist aber leichter gesagt als getan. Auf der Konferenz kam häufiger zur Sprache, dass Verwaltungen keinen guten Einblick haben, wer überhaupt die User ihrer Open Data-Angebote sind. Zwar wird davon ausgegangen, dass offene Daten von Unternehmen wie von der Zivilgesellschaft genutzt werden, aber noch gibt es wenig Erkenntnisse darüber, ob das überhaupt stimmt. Verwaltungen täten gut daran, einen engeren Kontakt zu Nutzergruppen herzustellen – und zwar nicht nur online. Aber wie macht man das? Eine Mitarbeiterin von Reboot, einem Social Impact-Unternehmen aus New York City präsentierte ein Beispiel. Sie hat im Rahmen eines Forschungsprojektes mehr als ein Dutzend Menschen befragt, die Open Data aktiv nutzen oder ein Interesse an der Nutzung hätten. Daraus hat Reboot User-Personas skizziert, in denen die verschiedenen Bedarfe sichtbar werden. Mehr dazu findet sich hier.

3) Wir müssen kreativ werden, um ein breiteres Publikum für Open Data zu schaffen.

Menschen, deren Arbeit um Open Data kreist, vergessen oft, dass sie in einer Blase leben. Für sie ist es selbstverständlich, online nach relevanten Daten oder Visualisierungen zu bestimmten Verwaltungsthemen (wie z.B. den aktuellen Haushalt) zu suchen. Es gibt aber auch viele Menschen, die nicht datenaffin sind, die sich aber trotzdem dafür interessieren, wie der Staat ihre Steuergelder ausgibt. Sie wissen vielleicht gar nicht, dass solche Daten im Netz existieren. Oder sie können mit der Art und Weise, wie Informationen im Netz aufbereitet sind (z.B. als Berichte in schwer verständlichem Verwaltungsvokabular) nichts anfangen. Wie kann man solchen Menschen Open Data näherbringen?

Offene Daten sind nicht unbedingt verständliche Daten. „Data Illiteracy“ (also ein mangelndes Verständnis, wie man mit Daten umgeht) ist weit verbreitet und stellt bei der Verwendung von Open Data ein signifikantes Hindernis dar. Civic Tech-Akteure und andere NGOs können diese Lücke füllen, indem sie Daten so aufbereiten, dass diese leichter verständlich sind (auch wir bei der Technologiestiftung arbeiten daran). Gerade marginalisierte oder benachteiligte Zielgruppen sind jedoch mitunter schwer zu erreichen. Hier lohnt es sich, mitunter unkonventionelle Wege zu gehen. Ein schönes Beispiel von der IODC war etwa eine NGO aus Tansania, die Wandgemälde als eine Art Datenvisualisierung nutzt, um Menschen direkt in ihren Communities zu erreichen.

4) Datenstandards müssen eine größere Rolle in Open Data-Gespräche spielen.

Bei der IODC gab es zahlreiche Sessions zum Thema Datenstandards (inklusive eines ganztätigen Workshops im Vorfeld der Konferenz), und alle begannen mehr oder weniger gleich: Mit einem beruhigenden Hinweis, dass Datenstandards viel weniger schlimm sind, als sie scheinen.

Selbst im Open Data-Bereich trauen sich viele Menschen nicht wirklich an Datenstandards heran. Verständlich, denn oft sind diese Standards in einer schwierigen, technischen Sprache beschrieben oder sogar in JSON-Code verfasst– zweifellos einschüchternd weniger technikaffine Menschen (und obwohl Open Data ein „Tech“-Bereich ist, sind viele, die dort arbeiten, selbst keine Programmierer). Die Aussage bei der IODC war aber klar: Wer sich mit Open Data beschäftigt, muss zumindest das Konzept von Standards verstehen. Je weiter sich das Feld entwickelt, desto wichtiger werden Standards als Grundlage dafür, dass sich Datensätze zu ähnlichen Themen kombinieren oder vergleichen lassen. Isolierte, kontextlose Datensätze haben oft wenig Aussagekraft. Datenstandards sind der Klebstoff, der es ermöglicht, Beziehungen herzustellen.

Dabei geht es nicht nur um die generelle Einsicht, dass die Verwendung eines Standards nützlich ist. In einigen Feldern existieren inzwischen verschiedene, miteinander konkurrierende Standards (etwa im Verkehrswesen), die über je eigene Vor- und Nachteile verfügen. Hinzu kommen eigene Bedarfe einzelner Behörden, die nicht immer mit bestehenden Standards kompatibel sind – hier gilt es abzuwägen. Initiativen wie das Data Standards Directory von GovEx schaffen hier mehr Übersicht, indem sie es erleichtern, bestehende Standards zu identifizieren und miteinander zu vergleichen. Trotzdem wurde bei der IODC deutlich, dass hinsichtlich des Verständnisses und der Nutzung von Datenstandards noch viel Luft nach oben bleibt.

Man konnte nicht an der IODC18 teilnehmen ohne ein Foto mit dem Riesen-Hashtag zu machen.
Man konnte nicht an der IODC18 teilnehmen ohne ein Foto mit dem Riesen-Hashtag zu machen.